Abschnitt ErDa-3 - Die Verbindung mit der Erde aktivieren:

III. 7 Der Buddha und der Baum .

letzte Änderungen: 3. Februar 2016
Wir haben uns in unserer Evolution allmählich immer weiter entwickelt – und das ist gut so. Wir wollen uns noch weiter entwickeln, bis hin zur Vollkommenheit, zur Buddhaschaft. Das ist das Ziel aller den Dharma Übender.
 
Entwicklung ist gut. Aber es besteht auch die Gefahr, dass wir uns von unseren Wurzeln, von unserem Ursprung, von unserem Fundament entfernen, indem wir zu verkopft sind.
 
Anders der Buddha, er lehrte das Sitzen wie ein Berg: nur eine breite Basis kann eine hohe Spitze sicher tragen – und die höchste erreichbare Spitze, der Gipfel menschlicher Entwicklung ist Bodhi, ist Erwachen. Das „Sitzen wie ein Berg“ haben wir daher in der ersten Meditation dieser Reihe eingeübt, und darum bemühen wir uns in jeder der Meditationen dieser Reihe.
 
Doch noch ein zweites Bild dürfen wir nicht vergessen. Neben der physikalischen Evolutionsstufe des Planeten Erde, aus welcher der Berg stammt, gibt es ein zweites Symbol der Evolution, eines aus der biologischen Evolution, das im Buddhismus immer wieder auftaucht. Erleuchtung ist immer wieder mit einem uralten Symbol verknüpft worden: dem Baum, dem Bodhi-Baum, dem Baum des Erwachens.
 
Noch heute pilgern täglich Tausende von Pilgern zu den Bodhi-Bäumen in Bodh Gaya im indischen Bundesstaat Bihar und in Anuradhapura in Sri Lanka. Auch im Meditationsraum am Obermarkt haben wir ein Blatt des Bodhi Baumes in Bodh Gaya. In meinem Zimmer, von wo aus ich diese Seite ins Intenet gesendet habe, habe ich eines des Bodhi-Baumes in Anuradhapura. Das sind alte, mächtige Bäume, fest verwurzelt in unserer Basis, dem Planeten Erde.
 
Der Buddha berichtet, dass er nach seiner Erleuchtung eine Woche lang dem Bodhi-Baum in Dankbarkeit gehuldigt habe. Das zeigt auch, dass er sich seiner Verwurzelung, seiner Basis, bewusst gewesen ist. Als Menschen sind wir Teil der Evolution. Die Pflanzen sind unsere älteren Geschwister, ihre Geschichte ist Teil unserer evolutionären Geschichte.

Hieran knüpft die Übung der Verwurzelung an. In den ersten beiden Meditationen haben wir den Bodenkontakt mit den Füßen hergestellt, sie sind gewissermaßen repräsentativ für die tierische Evolutionsstufe, für Wesen, die sich fortbewegen können. Aber vielleicht ist euch auch aufgefallen, dass ich immer darauf bestanden habe, dass wir Erdkontakt auch mit unserem Gesäß und dem Dammbereich haben, dem Bereich zwischen Genitalien und Anus.

Diese Stelle steht in der indischen Kulturgeschichte – aber auch in indigenen Kulturen anderer Kontinente – für die Erdung, für die Erdverbindung. Im Yoga wird dieser Punkt als muladhara bezeichnet, als Wurzelcakra. Alle Cakren, alle Kraftzentren, unseres Körpers, sind einem Element zugeordnet, dies ist beim Wurzelcakra das Element Erde. Und wenn wir uns das Bild des Buddha unter dem Bodhibaum vorstellen, so wird der Buddha fast immer in dieser sitzenden Haltung dargestellt, mit dem Wurzelcakra auf der Erde aufsitzend, festverwurzelt in der Erde.

Es ist kein Zufall, dass uns dieses Bild über die Jahrtausende so vermittelt wurde. Es soll etwas ausdrücken. Es soll uns etwas zeigen. Es soll uns auf die Wichtigkeit dieser erdverbundenen Verwurzelung aufmerksam machen. Und es ist auch kein Zufall, das die Yogis vor und nach dem Buddha so dasaßen. Und es ist auch kein Zufall, dass der Gründer der Jain-Religion, Mahavira, in der gleiche  Haltung dargestellt wird. Mahavira meditierte übrigens auch in Indien unter einem Baum, als er seine großen Inspirationen hatte.

Doch zurück zu dem Baum, unter dem der Buddha saß, zum Bodhibaum. Ein Baum ist aus zwei Gründen in der Erde mit großen, mächtigen Wurzeln verankert, einmal um ihm Stabilität zu verschaffen, darin haben wir eine Parallele zu unseren ersten Meditationen: stabil sitzen; zum anderen, weil der Baum Wasser und Nährstoffe aus der Erde bezieht.

Und so wie die Bäume, wie der Bodhibaum, über die Jahre und Jahrhunderte immer größer und mächtiger wurde, wie seine Wurzeln immer dicker und mächtiger wurden, sich seine Verwurzelung ausdehnte, so bemühen auch wir uns, unser Wurzelcakra immer weiter auszudehnen, um mehr von den köstlichen Nährstoffen unserer Nährmutter, des Planeten Erde, aufzunehmen, feinstoffliche Energie zu tanken, die positiven, mütterlichen  Kräfte der Erdenergie zu nutzen, um uns durch unsere Erdverbundenheit Stabilität zu verschaffen und um geistige Nahrung durch Erdung verarbeiten zu können, ohne abgehoben zu werden.

Die Wurzeln alter Bäume sind aber nicht nur dick und mächtig, sie reichen auch tief hinab und sind in immer feinere Würzelchen verästelt. Diese feinen Verästelungen winziger Würzelchen, haarfeiner Baumteile, mit dem Mutterboden, aus dessen Bestandteilen sie letztlich erzeugt sind, symbolisiert eine ganz enge Verwobenheit zwischen Erde und Baum. Abgestorbene Baumteile werden zu Erde und Teile des Mutterbodens werden durch ihre Feuchtigkeit und ihre Nährstoffe zu Wurzeln und Baumteilen. Da ist kein Baum-Ich und kein Erd-Ander. Dem Baum gelingt es, Ich und Ander rein physisch, rein körperlich, durch gefühlte Erfahrung zu transzendieren, zu überwinden.

Wenn es auch uns gelingt allmählich Ich und Ander zu transzendieren, dann sind wir erwacht. Dann haben wir die Vision des Bodhi-Baumes, des Baumes des Erwachens, realisiert. So wie damals der Buddha, als er zusammen mit dem Bodhibaum dasaß, den er nach seiner Erleuchtung eine Woche lang verehrte - als seinen älteren Bruder.


Zum Abschnitt Die Verbindung aktivieren

Zurück zur Kursübersicht