Möglicherweise
bereitet dir das Abschmelzen der Spannungen Schwierigkeiten. Da ist
eine Spannung und - so sehr du dich auch abmühst - sie will und will
einfach nicht abschmelzen. Vielleicht wird sie nur ein bisschen
weniger, vielleicht verändert sie sich gar nicht, möglicherweise hast
du sogar den Eindruck, dass sie sich noch mehr verhärtet. Vielleicht
ärgerst du dich sogar darüber und denkst: Ich kann das nicht!
Vielleicht denkst du auch: Das ist alles großer Mist, das kann
vielleicht bei einfachen Geistern durch Autosuggestion funktionieren,
aber nicht bei einem aufgeklärten Menschen wie mir! Mit anderen Worten:
du hast ein Hindernis.
Natürlich kann kein vernünftiger Mensch denken, wenn man einfach zu
einer Verspannung sagt: sei weg, dann geht sie weg. Der Aufbau einer
Verspannung war ein Prozess und auch der Abbau einer Verspannung ist
ein Prozess. Spannungen haben sich durch unheilsame Prozesse (akusala karma) aufgebaut, und sie lassen sich nur durch heilsame Prozesse (kusala karma) abbauen. Das Ergebnis dieses Prozesses, die Früchte dieses Prozesses (karma vipaka) sind Verspannungsfreiheit und Entspannung.
Prozesse sind keine Zauberei, Prozesse dauern eine Zeit. Schließlich
hast du auch lange daran gearbeitet, die jeweiligen Verspannungen
aufzubauen! Und es geht schon gar nicht, wenn du versuchst in deine
Bemühung verkrampft Energie hereinzustecken. Verkrampfte Bemühungen
sind vielmehr die Ursache von Verspannungen. So erklärt sich auch der
Effekt, dass bei manchen Personen diese Verspannungen zuzunehmen
scheinen. Das ist jedenfalls einer der Gründe, warum diese
Verspannungen zunehmen können.
Es gibt einen weiteren Grund dafür, dass sie möglicherweise -
allerdings in diesem Fall nur scheinbar - zunehmen. Endlich wird
Achtsamkeit auf die Verspannung gelegt! Dein Körper freut sich, dass du
das endlich bemerkst, und er will dir sagen: ja, hier ist die Stelle,
bitte hilf mir!
Wie aber kann man dem Körper helfen, wie kann man Spannungen - auch
ganz hartnäckige Verspannungen - abmildern und schließlich schmelzen
lassen? Nun, auf die
Art, die wir in diesem Kursus von Anfang an üben, nämlich mit der Kraft
von metta. Begegne deiner
Verspannung mit Freundlichkeit. Das ist der Grund, warum es in den
Meditationen heißt: lächle der Verspannung freundlich zu. So wie
Freundlichkeit letztendlich unsere härtesten Widersacher entwaffnen
kann, wie sie die Verhärtung ihres Herzens dahin schmelzen lassen kann,
so kann diese Freundlichkeit auch deine Verspannungen dahinschmelzen
lassen. Die Bedingungen dafür, dass dies geschieht, sind (1)
Freundlichkeit, (2) Achtsamkeit, (3) Ruhe und (4) Geduld.
Zu (1) Freundlichkeit habe ich bereits etwas gesagt. Die (2)
Achtsamkeit ist notwendig, damit du die Verspannung erkennst, damit du sie genau
lokalisieren kannst, und damit du dich bemühen kannst, die
Muskelanspannung, die zu dieser Verspannung geführt hat, zu erkennen
und zurück zu führen. Die (3) Ruhe ist nötig, weil Verspannungen gerade
aufgrund von Unruhe, von Hektik, von Stress entstehen. Das ist auch der
Grund, warum wir uns in der Sitzmeditation darum bemühen, alle den
Stress verursachenden Faktoren auszuschalten, also alles was unserem
Körper Stress verursacht, alles was unsere Empfindungen stresst, und
natürlich auch denjenigen, der uns am häufigsten und intensivsten
stresst, unseren Geist, der ein kleines Äffchen ist und immer etwas zu
tun haben will, und der beständig von einem Gedanken zum nächsten
hüpft. Und auch dieser Affengeist ist natürlich Teil unserer Evolution,
etwas das wir durch unsere Praxis hinter uns lassen können, damit wir
uns vom Äffchen zum Menschen, zu einem fröhlichen, gesunden Menschen,
entwickeln können, und - wenn wir wollen - von dort aus weiter Richtung
Buddhaschaft, dem nächsten großen Ziel der Evolution. Und für diesen
weiten Weg brauchen wir natürlich (4) Geduld, und dies gilt auch für
jeden Teilprozess dieses Weges, und eben auch für den Teilprozess, in
dem wir einzelne Spannungen abschmelzen lassen.
Mach dir keinen Kopf darum, wenn du keine oder nur ganz minimale
Veränderungen beim Abschmelzen verspürst. Das ist nicht tragisch, das
tritt bei vielen Menschen so auf. Tatsache ist: wenn du alle vier
genannten Bedingungen einsetzt - und nicht außerhalb der Meditation
kontraproduktiv in die Gegenrichtung arbeitest, dann schmelzen deine
Verspannungen allmählich ab - möglicherweise unterhalb deiner
Wahrnehmungsgrenze. Auf jeden Fall ist, wenn du diese vier
Bedingungen erfüllst, in jeder Meditation so viel Verspannung
abgeschmolzen, dass du die weiteren Stufen der Meditation
erfolgreich absolvieren kannst und wirst.
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