Abschnitt ErDa-5 - Sinnlichkeit und Sakrament: .

V. 5. Der blaue Himmel

letzte Änderungen am 5. April 2016
In einem früheren Aufsatz der Reihe ErDa habe ich auf die Hindernisse in unserer Meditation hingewiesen. Wie wir festgestellt hatten, gibt es in der klassischen Einteilung, die auf den Buddha zurückgeht, fünf Arten von Hindernissen in der Meditation
• Probleme, die im sinnlichen Verlangen liegen: diese liegen immer dann vor, wenn wir nach Sinneneindrücken greifen, d. h. wenn wir uns beispielsweise durch Geräusche, Berührungen, z. B. ein Schmerzgefühl im Bein, oder Gedanken anlenken lassen.

• Abneigung: wir empfinden Ärger, Aversion, vielleicht sogar Wut über irgend etwas oder jemanden.

• Unruhe, die häufig gemeinsam mit einem der ersten beiden Hindernisse auftritt und deren Ursachen häufig in der Vergangenheit liegen oder in Sorgen bezüglich der Zukunft

• Mattigkeit und Antriebsschwäche und

• Unentschlossenheit und Skeptizismus.

Über diese Hindernisse habe ich mich bereits ausführlich ausgelassen, und ich hatte euch damals die Aufgabe gestellt, in euren Meditationen, wann immer ein Hindernis auftritt, dies zu erkennen und in eine oder mehrere dieser fünf Gruppen von Hindernissen einzuordnen.

Und an anderer Stelle dieser Reihe habe ich dann darauf hingewiesen, dass es zwei Anker gibt, auf die wir in der Meditation immer zurückkommen können, wenn unser Geist wieder einmal abschweifen möchte. Diese beiden Anker sind der Atem und der Körper. Wann immer unser Geist sich vom Meditationsobjekt entfernt, sollten wir ihn sanft aber zielstrebig auf das Meditationsobjekt zurückführen. Erscheint uns das nicht möglich, dann können wir den Geist hilfsweise zunächst einige Augenblicke, vielleicht sogar einige Minuten auf die Atemachtsamkeit oder die Körperachtsamkeit ausrichten, bevor wir uns wieder freundlich aber ebenso bestimmt unserem jeweiligen Meditationsobjekt zuwenden.

Heute nun möchte ich beginnen, die klassischen Methoden zu erläutern, wie wir mit Hindernissen umgehen können. Die wichtigsten fünf Methoden sind

1. zurückweisen
2. erwägen
3. entwickeln
4. vorbereiten und
5. die Methode des Blauen Himmels.
Von diesen klingt vermutlich am attraktivsten, die Methode des Blauen Himmels, sie hat gewissermaßen den poetischsten Namen, alle anderen Bezeichnungen wirken irgendwie nüchtern. Und das ist der Grund, warum ich mit dieser Methode beginnen werde. Heute steht also die Methode des Blauen Himmels im Mittelpunkt, in anderen Aufsätzen werde ich auf andere Methoden, mit den Hindernissen umzugehen, eingehen, aber es wird auch Beiträge geben, die sich nicht mit den Hindernissen beschäftigen, sondern mit etwas positiveren Aspekten der Meditation.

Alle genannten Methoden haben aber eines gemeinsam: du musst erkannt haben, dass da ein Hindernis aufgetreten ist. Und sinnvoller Weise hast du auch erkannt, von welcher Natur dieses Hindernis ist, also zu welcher oder welchen der fünf Gruppen von Hindernissen es gehört. Das ist ganz wichtig. Nur dann kannst du die richtige Technik anwenden, um das Hindernis effektiv zu bekämpfen.

Bei der Methode des Blauen Himmels ist dies ein sehr sanftes, ein freundliches Bekämpfen. Du versuchst keineswegs das Hindernis zu unterdrücken oder es aktiv zu bekämpfen, sondern du stellst erst einmal fest, dass es da ist, und alsdann akzeptierst du, dass es da ist. Du steckst also keine Energien in die aktive Hindernisbekämpfung. Allerdings verschwendest du auch keine Energien darauf, das Hindernis zu füttern.

Wenn dir also z. B. ein erotischer Gedanke gekommen war, dann spielst du nicht etwa diese Szene durch. Allerdings tadelst du dich auch nicht dafür, dass dir jetzt so etwas in den Sinn gekommen ist. Du gehst vielmehr ebenso weise damit um, wie du dich auch außerhalb der Meditation verhalten würdest, wenn dir eine sexuell attraktive Person begegnet - vorausgesetzt, du handelst dann weise. Also starre die Person nicht mit offenem Mund an, renne ihr nicht hinterher, lasse deinen Geist nicht davon besessen sein, wie du näher mit dieser Person in Kontakt kommen kannst, aber schaue auch nicht angestrengt in eine andere Richtung. Stelle einfach fest: da ist eine lieblich anzusehende Form und wende dich wieder deinen anderen Aktivitäten zu. Und das heißt in der Meditation: betrachte dein Meditationsobjekt.

Wir sehen: in dieser Methode geht es gar nicht um den wirklichen blauen Himmel, wir visualisieren hierbei definitiv nicht einen blauen Himmel! Sondern wir verhalten uns so, als wollten wir den blauen Himmel betrachten. Und wenn wir das tun, dann wird sicher früher oder später ein Wölkchen in unser Blickfeld geraten. Darüber müssen wir uns nicht ärgern, wir müssen auch nicht versuchen, das Wölkchen zu bekämpfen, wir stecken einfach keine Energie in dieses Phänomen „Wölkchen“, sondern wenden uns wieder der Betrachtung unseres eigentlichen Meditationsobjektes zu – metaphorisch gesprochen des blauen Himmels. Früher oder später wird das Wölkchen verschwinden. Und selbst wenn es irgendwo am Rande unseres Blickfeldes noch existiert; wir setzen keine Energie in seine Bekämpfung und ärgern uns auch nicht über seine Existenz.

Wenn wir also vielleicht ein Jucken an der Nase verspüren, dann stellen wir einfach fest, dass die Nase juckt, und wenden uns nach dieser Feststellung wieder dem Meditationsobjekt zu. Vielleicht juckt sie noch eine Weile. Früher oder später wird sie aber damit aufhören. Bis jetzt ist noch jedes Nasenjucken vergangen, gerade so wie jedes Wölkchen am Himmel verschwunden ist - irgendwann.

Genau so verfahren wir mit jedem Hindernis. Natürlich gibt es am Himmel nicht nur Wölkchen. Auch wenn da ein Vogel oder ein Flugzeug wäre: alles, was in unser Blickfeld gerät, verschwindet auch wieder. Und selbst wenn es ein besonders attraktives Phänomen wäre, ein Zeppelin vielleicht, oder von mir aus eine fliegende Meerjungfrau, es ist nicht wichtig. Identifiziere das Hindernis, akzeptiere, dass es da ist, verschwende keine Energien darauf und richte deinen Geist freundlich aber nicht krampfhaft wieder auf dein Meditationsobjekt. Akzeptiere es am Anfang, in der Mitte und am Ende. Akzeptiere, dass es entsteht; akzeptiere, dass es da ist; akzeptiere, dass es verschwindet.

Du kannst die Methode des Blauen Himmels sowohl beim Hindernis des sinnlichen Verlangens einsetzen als auch bei dem der Abneigung. Lediglich beim Hindernis von Trägheit und Stumpfheit ist die Methode des Blauen Himmels nicht zu empfehlen, denn bei diesem Hindernis, bei Trägheit und Stumpfheit, geht es ja gerade darum, mehr Energie in deine Meditation zu bringen, was durch die Methode des Blauen Himmels definitiv nicht geschieht.

Aber auch wenn es sich um Unruhe und Besorgtheit handelt, kannst du diese Methode einsetzen: stelle einfach fest, dass Unruhe da ist. Beobachte ihr Auftreten und dann richte deine Achtsamkeit wieder auf das Meditationsobjekt. Und wenn dir das nicht gelingen sollte – du hast für solche Fälle immer noch deine beiden Anker. Du kannst jederzeit für einige Momente oder auch für einige Minuten auf die Atemachtsamkeit oder die Körperachtsamkeit zurück kommen.

Sollte dein Hindernis Unentschlossenheit und skeptischer Zweifel sein, dann erforsche (kurz!) das Wesen deines Zweifelns: woran macht er sich genau fest? Warum und unter welchen Bedingungen ist er aufgetreten? Und dann stelle fest, dass es eben unter diesen Bedingungen aufgetreten ist, und wende dich wieder deinem Meditationsobjekt zu. Akzeptiere freundlich, dass da noch Zweifel ist, aber lasse dich von diesem Zweifel genauso wenig einfangen, wie von dem weißen Wölkchen oder von was auch immer.

Also: gehe mit dem Hindernis so um, wie kluge Eltern mit störendem Verhalten von Kindern umgehen. Vermeide Energie in das unangepasste Verhalten deines sich störend verhaltenen Kindes zu stecken. Mit jeder Energie, die du darein steckst, verstärkst du nur sein unerwünschtes Verhalten. Und deine Hindernisse, deine Gedanken, deine geistigen Aktivitäten sind letztendlich deine Kinder. Hin und wieder etwas störend, aber letztendlich liebe Kerlchen, du darfst nur keine Energien darein stecken, ihr Fehlverhalten zu verstärken. Lobe sie vielmehr dann, wenn sie besonders nett sind. Und freue dich über dich und deine Erfolge, wenn deine Meditation – zeitweise, vielleicht nur recht kurze Zeit lang, aber immerhin – ganz schön konzentriert ist.

Verstärke dein positives Verhalten und akzeptiere deine kleinen Schwächen. Das kriegst du auch schon noch hin. Mit zwei ganz wichtigen Ressourcen, die du hast und die du noch weiter entwickeln kannst. Diese beiden Ressourcen sind stetiges Bemühen und – Geduld.



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