Wie soll man üben?
letzte Änderungen: 2018-01-06
Vortrag von Horst Gunkel aus der Reihe „Erdverbundene, körperbetonte Meditation"

Meditation am Obermarkt bietet Meditation und Buddhismus an. Nutzt man Meditation ohne Buddhismus, dann kann man ruhiger werden und freundlicher. Das ist doch schon etwas. Möchte man Buddhismus ohne Meditation üben, dann kann man dadurch ein zufriedenerer und freundlicherer Mensch werden. Das ist auch gut. Eine völlige Transformation ist allerdings nur erreichbar, wenn man beide Elemente nutzt, die gewissermaßen eine Einheit bilden.

Viele Leute lehnen Buddhismus aber erst einmal ab, weil sie ihn für eine fremde Religion halten. Oder weil sie ihn überhaupt für eine Religion halten. Oder auch, weil sie ihn für keine Religion halten. Das ist sehr schade, hat aber augenscheinlich mit dem Begriff Religion zu tun. Deshalb will ich auch gar nicht der Frage nachgehen, ob Buddhismus eine Religion ist. Diese Frage ist nicht hilfreich. Daher hätte der Buddha sie auch gar nicht beantwortet, denn der Buddha beantwortete nur hilfreiche Fragen.

Hilfreich wäre die Frage, ob die Lehre des Buddha Menschen helfen kann, sich zu entwickeln. Und darauf hat der Buddha in der Tat geantwortet. Er hat gesagt, dass er persönlich die Erfahrung gemacht hat, dass er sich durch das von ihm gelehrte Übungssystem geändert hat, ja dass man sich ändern wird, wenn man es praktiziert. Der Buddha wusste das aus seiner eigenen Erfahrung, der Buddha wusste das aber auch, weil zahllose Menschen, die seinem Übungssystem zu seinen Lebzeiten gefolgt sind, sich ebenso verändert haben. Immer wieder hat der Buddha die Menschen mit den Worten "Komm und sieh' selbst" ermuntert, es auszuprobieren. Und das gleiche Angebot machen auch wir Menschen, die hierher kommen: "Komm und sieh' selbst".

Bleiben natürlich zwei wichtige Fragen, bevor man sich entscheidet, die Sache einmal auszuprobieren, nämlich

1. in welche Richtung führt diese Entwicklung und
2. wie soll man üben
Ich werde versuchen, beide Fragen ansatzweise zu beantworten. Zunächst also die Frage:

Wohin führt die Entwicklung, die der Buddha empfiehlt?

Sie führt (a) zu Integration, (b) zu Emanzipation, (c) zu nachhaltigem Glück und (d) zu Perfektion. Was meine ich damit?

Inwiefern führen die Übungen, die der Buddha empfiehlt zu mehr Integration? Nun, wir sind in unserem Normalzustand nicht sonderlich integriert, wir sind sprunghaft, wir wollen verschiedene Dinge, die nicht miteinander im Einklang sind. Wir wollen auf der einen Seite vielleicht Reichtum, aber gleichzeitig Verteilungsgerechtigkeit und eine intakte Umwelt und merken gar nicht, dass das Widersprüche sind. Also streben wir nacheinander verschiedene Teile davon an und sind dadurch sprunghaft, oder wir wollen alles gleichzeitig und sehen die dadurch entstehenden Zielkonflikte nicht.

Wir wollen möglichst viel verdienen, um uns etwas leisten zu können, aber gleichzeitig möglichst viel Freizeit haben und natürlich einen stressarmen Job. Wir wollen einen toll aussehenden Partner haben, möglichst verführerisch und intelligent, aber er oder sie soll gleichzeitig häuslich, voll für uns da und treu sein und uns in allem Recht geben. Wir wollen ein tolles Auto/Handy/Computer mit allen möglichen Funktionen, das soll aber leicht zu bedienen sein und absolut störunanfällig.

Mit anderen Worten, wir suchen beständig Dinge, die sich mehr oder weniger ausschließen. Wir wollen tolle Meditationen, ein aufregendes ereignisreiches Leben und finanziellen Erfolg, Ansehen und Ausgeglichenheit. Wir messen dann die Realität an unseren unrealistischen Wünschen und wundern uns, dass die Realität nicht das einlösen kann, was wir in unserer Einfalt, in unserer Verblendung, erwartet haben. Erst wenn wir die verschiedenen Ansprüche, die verschiedenen Selbste, die in uns im Widerstreit sind, dazu bringen können, in eine einheitliche Zielrichtung zu gehen, wenn wir also völlig integriert sind, können wir unsere Unzufriedenheit überwinden.

Das aber gelingt uns erst, wenn wir unsere inneren Widersacher überwinden, wenn wir uns von ihnen emanzipieren. Drei Kräfte sind es in uns, die uns so unintegriert sein lassen. Da ist nämlich erstens unser Verlangen, oder härter ausgedrückt: die Gier, zweitens unser Abneigungen, härter ausgedrückt: unser Hass, und unsere Verblendung, also unsere absolut unrealistischen Projektionen.

Das dritte Ziel, zu dem uns die Übungen, die der Buddha empfiehlt, führen, ist nachhaltiges Glück. Woraus besteht nachhaltiges Glück? Es basiert auf einer Art von Verzückung, von Ekstase, aber einer Ekstase ohne nachfolgende Ernüchterung, es basiert auf dem dieser Entzückung folgenden Zur-Ruhe-Kommen, aus Zufriedenheit, und führt schließlich zu Glückseligkeit, was eine ältere Bezeichnung für nachhaltiges Glück ist. Ich habe nicht vor, das heute im Detail zu erläutern, das habe ich an anderer Stelle getan, zum Beispiel in meinem Vortrag "Das zuckersüße Leben der Buddhisten", in dem ich den Pfadabschnitt, der in unserem Meditationsraum an der Wand angeschrieben ist, nämlich piti (Extase), passadhi (Zufriedenheit) und sukha (Glückseligkeit, also nachhaltiges Glück) beschrieben habe. Wenn ihr wollt könnt ihr diesen Vortrag im Internet nachlesen.

Und viertens schließlich führen uns die Übungen, die der Buddha, empfiehlt zur Perfektion, was ein anderes Wort für Vollkommenheit, für Erleuchtung oder für Erwachen ist. Das ist etwas, wovon auch andere spirituelle Traditionen sprechen. Der Jude möchte aus dem Schlamassel heraus und wünscht sich Masel-tov. Jesus wollte die Dämonen in uns, die Mächte der Finsternis in uns, bannen und erhoffte sich auf einer himmlischen Aue weiden zu können. Mohammed predigte den großen Jihad, den großen heiligen Krieg, der für ihn - jedenfalls an manchen Stellen des Korans - ein Krieg gegen die inneren Widersacher war. Auch Buddha sagte, ein wahrhaft tapferer Kämpfer sei nicht, wer in 1000 Schlachten 1000 Gegner besiege, sondern derjenige, der sich selbst besiegte, der seinen Hass in Liebe transformiert habe, der seine Gier in Großzügigkeit umgewandelt habe und der die Verblendung überwunden habe und die Dinge nunmehr sehe, wie sie wirklich sind. Und das Tolle ist: er hat ein entsprechendes Übungssystem gelehrt und dieses Übungssystem ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben und praktizierbar und außerdem ist dieses Übungssystem durch seine Schüler und Schülerinnen und die Schüler seiner Schüler in den folgenden Jahrhunderten ausgebaut und mit zahlreichen Übungsvarianten ergänzt worden. Übungen, von denen ihr einige vermutlich bereits kennen gelernt habt, zum Beispiel die Vergegenwärtigungen des Atems und die metta bhavana.

Der Buddha hat dieses Übungssystem immer als einen Pfad beschrieben, manchmal detaillierter erläutert, wie zum Beispiel im upanisa-sutta, aus dem der Spiralpfad ist, der in unserem Meditationsraum an der Wand dargestellt wird, und den wir bei der buddhistischen Gemeinschaft Triratna für eine ganz besonders hilfreiche Beschreibung halten. Ich habe an anderer Stelle über diesen Pfad geschrieben, ich werde es an dieser Stelle nicht tun.

Die vermutlich bekannteste Beschreibung ist die des Edlen Achtfältigen Pfades, der in unserem Meditationsraum an der Rückwand in Form eines Rades dargestellt ist. Das ist die Form, die der Buddha selbst für die Darstellung verwandte. Ich habe diesen Edlen Achtfältigen Pfad in einer Vortragsreihe ausführlich dargelegt, die auf unseren Internetseiten zu finden ist. Heute aber werde ich nur die acht Pfadglieder benennen, also die acht Baustellen, an denen wir arbeiten müssen, um uns von unser Unvollkommenheit zu nachhaltigen Glück zu entwickeln, vom Schlamassel zum dauerhaften Masel-tov, vom großen Jihad, in dem wir uns selbst besiegen. Diese acht Baustellen sind

wir müssen eine Vision vom Pfad in uns entwickeln;

wir müssen Integrationsarbeit leisten, indem wir neben unserem rationalen Geist auch unsere Emotionen mobilisieren;

wir müssen unsere Sprache verbessern, denn es gibt Wechselwirkungen zwischen Sprache und Geist;

wir müssen unser Handeln in diese Integrationsarbeit einbeziehen;

wir müssen unseren gesamten Lebenswandel, also auch die Art, wie wir unseren Unterhalt verdienen, in den Dienst unserer Transformation stellen;

wir dürfen dabei nicht halbherzig vorgehen, nur nachhaltiges Bemühen kann zu nachhaltiger Neuausrichtung führen;

wir müssen das alles mit Achtsamkeit tun, denn ohne eine ganz sensible Achtsamkeit werden wir Fehler machen:

wir müssen auch samadhi entwickeln, jenen Teil des Transformationsprozesses, der nur in Meditation geleistet werden kann.

Um dennoch eines der Pfadmodelle, die der Buddha beschrieb, hier noch näher zu erläutern, habe ich mir das einfachste und kürzeste ausgesucht, den Dreifachen Pfad. Er besteht aus drei großen Baustellen, an denen wir arbeiten müssen. Es sind drei Elemente, die aufeinander aufbauen.

Ebenso, wie man ein stabiles Haus nur bauen kann, wenn man zunächst ein festes Fundament gegründet hat, alsdann stabile Wände errichtet und erst danach das Dach aufsetzen kann, so ist auch dieser Dreifache Pfad etwas, bei der jede Stufe auf der vorangegangenen aufbaut.

Die erste, die grundlegende, die fundamentale Phase, das Fundament, auf dem alles andere aufbaut, ist Ethik. Auf diesem Fundament aufbauend ist die zweite Stufe die Meditation. Und schließlich entfaltet sich die höchste Stufe, die Vollendung, das ist höchste Weisheit.

Da kann man sich natürlich fragen, macht es überhaupt Sinn, wenn wir Meditation unterrichten, ohne dass die Teilnehmerinnen unserer Veranstaltungen sich zunächst in Ethik perfektioniert haben? Nun ja, es ist bei einem Hausbau auch nicht falsch, wenn man schon mal nach den geeigneten Baumaterialien für die Wände Ausschau hält, auch schon einmal Baumaterial bereitlegt, bevor man ganz fertig ist mit dem Gründen des Fundaments. Aber es wäre vermessen zu erwarten, dass unsere Meditation perfekt würde, solange unser ethisches Fundament noch nicht gegründet ist. Also beginne ruhig bereits mit unseren hier dargelegten Meditationsangeboten, baue ruhig eine regelmäßige Meditationspraxis auf - aber erwarte keine Supererfolge, wenn du nicht gleichzeitig ein sicheres Fundament gegründet hast. Und - ja - auch hinsichtlich Weisheit kannst du schon Informationen einholen, meine Vorträge wie diesen beispielsweise. Das ist in Ordnung, das ist hilfreich. Aber die vollendete Weisheit wird sich erst dann einstellen können, wenn die anderen beiden Stufen voll entwickelt sind.

Jetzt habe ich so viel über Ethik gesprochen, was ist damit eigentlich gemeint?

Nun der Buddha hat von fünf ethischen Baustellen gesprochen, auf denen wir zu arbeiten haben, von den fünf silas, den fünf Übungsfeldern.

Die erste und grundlegende ist Gewaltlosigkeit. Auch wenn ich vorhin vom inneren Kampf gesprochen habe, dürfen wir keinerlei Gewalt anwenden, auch nicht gegenüber uns selbst. Man  kann diesen Vorsatz natürlich auch positiv formulieren, also nicht benennen, was wir vermeiden wollen, also nicht Gewalt in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, sondern das, was wir erreichen wollen. Und das Gegenteil von Gewalt ist natürliche allumfassende Liebe ohne jedes Habenwollen, mit anderen Worten: metta. Und das ist der Grund, warum wir hier die metta bhavana üben, sie hilft nicht nur zufriedener zu werden, sie hilft nicht nur freundlicher zu werden, sie ist ein Einstieg, nein, sie ist DER Einstieg in die ethische Praxis.

Die zweite ethische Baustelle ist, davon abzustehen, Nichtgegebenes zu nehmen. Dass das so formuliert ist, hat seinen Sinn, obwohl ich darauf jetzt nicht eingehen werde. Und wenn wir diesen Vorsatz in positiver Weise formulieren wollen, also wenn wir fragen, was wir entwickeln möchten, ist es Großzügigkeit. Großzügigkeit heißt in den altindischen Sprachen Dana. Und eben diese Großzügigkeit versuchen wir auch hier bei Meditation am Obermarkt zu praktizieren. Das ist der Grund, warum wir hier keine Beiträge verlangen, weder in Form von Geld, noch von Arbeitszeit oder sonst etwas. Dennoch geben wir allen Menschen Gelegenheit, ihrerseits Großzügigkeit zu üben, sei es, indem sie ihrer Großzügigkeit an der Danabox freien Lauf lassen, sei es dass sie einen monatlichen Dauerauftrag einrichten, eine einmalige Überweisung auf unser Konto machen oder sei es, dass sie Kekse mitbringen oder ihre Arbeit hier einbringen, vielleicht indem sie Abende leiten oder unterstützen, indem sie hier putzen, Tee kochen oder was auch immer.

Der dritte ethische Vorsatz ist der, niemanden durch selbstsüchtige Gier zu verletzen. Das bezieht sich auch auf das Gebiet der Sexualität aber nicht nur. In positiver Formulierung heißt dieser Vorsatz: mit Stille, Schlichtheit und Genügsamkeit läutere ich mich.

Der vierte ethische Vorsatz betrifft unsere Rede. Positiv ist es wahrheitsgemäß, freundlich, hilfreich und harmoniefördernd reden. In der negativen Formulierung wäre das, nicht zu lügen, nicht zu zanken, niemanden mit verbalen Mitteln herabsetzen.

Der fünfte und letzte Vorsatz ist der der Achtsamkeit, eine der wichtigsten Vokabeln im buddhistischen Kontext. Insbesondere gehört hierher, alles zu vermeiden, was unsere Achtsamkeit herabsetzt, insbesondere Drogen, aber auch bestimmte Arten von seichtem Entertainment, zum Beispiel die Sucht, die man bei vielen Leuten, insbesondere bei jüngeren, sieht, die beständig ein kleines elektronisches Gerät vor ihre Nase halten.

Das also sind die fünf Übungsfelder, auf denen wir uns ethisch üben können, um uns auf diesem Gebiet immer mehr zu vervollkommnen, um eine gute Basis für unsere Meditation zu bekommen.

Und in unseren üblichen Meditation üben wir ja insbesondere Achtsamkeit, also den fünften Vorsatz, ein und Freundlichkeit, also den ersten Vorsatz.

In letzter Zeit bemühe ich mich in verstärktem Maße, auch die anderen ethischen Vorsätze in die Meditation einzubauen. Dazu dient mein Projekt von "körperbetonter, erdverbundener Dankbarkeit".

Dankbarkeit ist die Achtung der Großzügigkeit, die mir entgegen gebracht wird. Dies bezieht sich also auf den zweiten Vorsatz. Ich versuche auch mit Dankesworten, Dankesgesten, Dankesgedanken möglichst großzügig umzugehen.

Die Betonung des Körpers, also des einzigen wirklichen Besitzes, den ich vorübergehend habe, ist Ausdruck von Schlichtheit und Genügsamkeit, also des dritten Vorsatzes.

Die Verbindung mit der Erde und den übrigen Elementen bezieht sich auf das, was wirklich wahrhaft unsere Grundlage ist. Ich fördere damit die Harmonie mit der Erde, die freundschaftliche Verbundenheit mit der Erde und den anderen Elementen. Wahrhaftigkeit, die Förderung freundschaftlicher Verbundenheit und von Harmonie ist Ausdruck des vierten Vorsatzes.

So verbinde ich Ethik mit Meditation, so arbeite ich auch in meiner Meditation weiter an allen fünf ethischen Grundsätzen. So bemühe ich mich unablässig, den Dreifachen Pfad zu beschreiten, den Pfad, der Ethik zum Fundament hat, den Pfad der durch Meditation reift und den Pfad der in Weisheit, in vollendeter Weisheit gipfelt.

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