Verehrung der Erde
letzte Änderungen: 2015-05-25
Vortrag von Horst Gunkel aus der Reihe „Erdverbundene, körperbetonte Meditation“


So wie die Erde und alle Elemente
Den zahllosen Wesen im unendlichen Raum
Auf vielfache Weise dienstbar sind,
So möge auch ich das werden,
Was alle Wesen erhält,
Die der ganze Weltraum birgt,
Solange noch nicht alle
In Frieden sind.
Mit diesen Versen endet unsere Puja, das feierliche Ritual, mit dem wir von der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna das verehren, was verehrungswürdig ist.

„So wie die Erde und alle Elemente“, heißt es da. Wir sollen uns also an der Erde ein Beispiel nehmen. Das ist interessant, nicht eine Heilige, nicht eine Bodhisattva oder ein Buddha wird uns als Vorbild hingestellt, sondern die Erde. Wir haben damit in dieser spirituellen Tradition nicht etwas Abgehobenes etwas Transzendentes als Vorbild, sondern etwas absolut Bodenständiges, den Boden, die Erde selbst. Wir sollten nicht abgehoben sein, sondern verwurzelt in unserer Heimat, diesem Planeten, mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen. Dieser Boden, diese größte Tatsache, mit der wir es zu tun haben, ist die Erde. Die Erde, aus der wir letztendlich bestehen, ist damit das verehrungswürdigste Wesen, das wir kennen.

Der Buddha und die anderen Weisheitslehrer sind nichts, was gewissermaßen von außen auf die Welt gekommen ist, sind kein deus ex machina. Der Buddha und die anderen Weisheitslehrer sind auf dieser Erde entstanden – und durch dieses Erde. Evolution, Entwicklung, auch spirituelle Entwicklung ist nicht denkbar ohne diese bodenständige Verwurzelung in unserer Heimat, der Erde.

In dem Text heißt es „die Erde und alle Elemente“. Damit ist Bezug genommen auf die sechs Elemente, die im Buddhismus verehrt werden. Es sind dies zunächst die vier klassischen Elemente, die auch in der europäischen Antike und in Indien schon zu Buddhas Zeiten verehrt wurden, und dort als die mahabhutas bezeichnet werden, was man mit große Elemente oder große Geister übersetzen kann.

Da ist zunächst das Erdelement. Unter Erdelement wird alles Feste verstanden. Das Feste, das wir kennen, stammt natürlich aus der Erde: Holz, Erz, Steine und alles, was daraus gemacht wurde. Auch unsere Nahrung stammt aus der Erde, sie ist das Feste, das unser Leben ermöglicht.

Das zweite der vier Elemente ist das Wasserelement. Wasser ist absolut lebensnotwendig. Alles Wasser, das wir kennen, gehört natürlich auch zu diesem Planeten Erde. Dieser zeichnet sich gegenüber den anderen uns bekannten Planeten durch reiche Wasservorräte aus. Unser Körper besteht zum überwiegenden Teil aus Wasser. Und dieses Wasser, dieses Flüssige, ist uns genauso von unserem Heimatplanten gegeben, wie das Feste, das Erdelement. Unter Wasserelement wird im übertragenen Sinne auch alles in Fluss geratene Energie, verstanden, Energie, die eine gewisse Beweglichkeit hat. Wasserelement ist nicht statisch. Im Gegensatz zum Erdelement steht das Wasserelement für in Fluss geratene Energie und damit enthält sie auch ein gewisses Maß an Potentialität. Potentialität bedeutet, dass Veränderung, dass Entwicklung möglich ist, auch Gestaltung.

Und das dritte Element ist das Luftelement. Das Luftelement steht unter anderem für sehr bewegliche Energie. Aber Luft ist auch das, was unseren Planeten Erde – neben dem Wasser – besonders auszeichnet. Nur ein Planet, etwas Festes im Universum, der auch Wasser und Luft enthält, ist tauglich, Leben, wie wir es kennen, zu entwickeln. Häufig nehmen wir jedoch das alles für selbstverständlich. Wir tun so, als sei es die normalste Sache, dass es Erde, Wasser und Luft gibt. Dabei ist es in den ganzen Weiten dieses Universums so selten, dass wir trotz aller wissenschaftlichen und technischen Bemühungen bis heute noch keinen zweiten Ort in den Weiten des Universums entdeckt haben, in dem dies der Fall ist. Dieser geniale Ausnahmefall des Planeten Erde ist etwas, wofür wir im höchsten Maße dankbar sein sollten.

Und wenn die alten indigenen Kulturen aber auch die traditionelle Kultur unseres Heimatlandes im Herbst das Erntedankfest feiern, ist das ein großes Dankeschön, eine Verehrungsfeier dafür, was die Erde alles für uns hervorgebracht hat. Und gerade wenn wir in andere Teile der Welt sehen, so können wir erkennen, dass trinkbares Wasser und unbelastete, atembare Luft leider keine Selbstverständlichkeiten sind. Beispielsweise haben Mediziner berechnet, dass jede Stunde, die sich ein Mensch in der Region Beijing aufhält, die Lebenszeit dieses Menschen um rund 20 Minuten verkürzt, und zwar aufgrund der Schadstoffbelastung in der Luft.

Wir tun also gut daran, die Erde und alle Elemente für das zu schätzen, was sie für uns bereithalten, und die Erde zu schützen, dass dies weiter bereitgehalten werden kann.

Das vierte Element ist das Hitze- oder Feuerelement. In der Tat wäre unsere Erde mit all ihrem Wasser und mit all ihrer Luft nicht in der Lage gewesen, Leben in der uns bekannten Form hervorzubringen, wenn sie in größerer Entfernung um unser Zentralgestirn, die Sonne, kreisen würde. Die phantastische Qualität dieses unseres Heimatortes liegt also auch an der Lage zur Sonne, zum Hitzeelement. Das Hitze- oder Feuerelement steht für aufwärtsgerichtete, für aufsteigende Energie, und damit für Entwicklung, für Evolution, für Transformation, so wie sie die Flammen hier in diesem Raum darstellen, z. B. die Flammen um die drei Juwelen dort neben der Tür, die bedeuten, dass der Buddha, seine Lehre und die Gemeinschaft der aktiv Praktizierenden Bedingungen dafür sind, dass wir unsere eigene Transformation von einem noch höchst unvollkommene Wesen, das jede, jeder von uns derzeit noch ist, zu einem immer perfekteren Wesen, schließlich zur oder zum vollkommenen Wesen, zu Buddha, bewerkstelligen können.

Meist werden noch zwei weitere Elemente genannt. Da ist als fünftes Element – als Quintessenz, als fünfte Essenz – das Raumelement zu nennen. Denn all das eben Erläuterte, die Erde und die Sonne mit den anderen vier Elementen, können nur vorhanden sein, da es Raum gibt, in dem sie sich manifestieren. Alle vier anderen Elemente benötigen offensichtlich in ihrer Quintessenz, dieses fünfte Element.

Und schließlich gibt es noch das Bewusstseinselement. Was wäre all das, was wäre dieses wunderbar große Weltall mit diesem unglaublich schönen Juwel des Planeten Erde, wenn es kein Bewusstsein gäbe, dieses zu erkennen? Man kann sogar behaupten, wäre da kein Bewusstsein da, das das erkennt, dann wäre auch das erkennbare Objekt nicht vorhanden, so sehen das jedenfalls einige philosophische Richtungen.

Man kann nun lang und breit darüber spekulieren, ob das Bewusstsein ein originäres Element ist, also eines das schon immer a priori vorhanden wäre, oder ob sich das Bewusstsein derivativ in  Abhängigkeit von den anderen Elementen entwickelt habe. Aber all das wäre Spekulation, für die man Argumente und Gegenargumente finden kann. Ein solcher Streit scheint mir nicht hilfreich und genau das hat auch der Buddha in der Parabel vom Mann mit dem Giftpfeil so dargestellt.

Was man aber konstatieren kann, ist, dass es Bewusstsein gibt und dass dies, wie es in unserer Puja heißt, uns in vielfacher Weise dienstbar ist.

Aber nicht nur das Bewusstsein, sondern die Erde und alle Elemente sind uns auf vielfache Weise dienstbar. Und eben weil sie uns dienstbar sind, sollten wir ihnen dankbar sein. Ja, ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass sie verehrungswürdig sind, denn Verehrung, das Paliwort dafür ist Puja,  ist eine ganz besonders weit gehende Form von Dankbarkeit.

Und ich bin sogar der Meinung, dass es noch nicht genug ist, der Erde und allen Elementen, die der ganze Weltraum birgt, auf vielfache Weise dankbar zu sein und sie dafür zu ehren, dass sie den zahllosen Wesen im unendlichen Raum auf vielfache Weise dienstbar sind. Wenn ich ein Geschenk erhalte, dann ist das für mich zwar Anlass, dankbar zu sein, aber es ist auch ein Anreiz. Nämlich ein Anreiz, die Großzügigkeit, die mir widerfahren ist, ist nicht nur zu nehmen, sondern selbst mit Großzügigkeit zu antworten. Es ist schön etwas nehmen zu können, aber bekanntlich ist Geben (noch) seliger als Nehmen. Und genau diese Selbstverpflichtung zur Großzügigkeit ist es, die in diesen Versen unserer Puja angesprochen wird. Nämlich auch ich solle das werden, was alle Wesen erhält. Dies ist ein Appell an unsere Hilfsbereitschaft, an unsere Großzügigkeit.

Und Großzügigkeit, Gebefreude, das Paliwort dafür ist Dana, ist eine der sechs Tugenden (Dana, Sila, Ksanti, Virija, Samadhi, Prajna), die ein Bodhisattva übt. Wir haben die Geste der Großzügigkeit, die offene rechte Hand, hier im Raum als einzige Geste zweimal dargestellt, einmal bei der Grünen Tara und einmal bei Ratnasambhava. Und in der Tat ist unsere Großzügigkeit, unsere Hilfsbereitschaft gefragt und zwar dauerhaft. Der letzte Satz unserer Puja sagt, wie dauerhaft, nämlich solange noch nicht alle in Frieden sind.

Das ist ein sehr hoher Anspruch, denn Frieden, wahrhaften dauerhaften Frieden haben wir erst dann, wenn drei Dinge überwunden sind:

• Hass – augenscheinlich das Gegenteil von Frieden
• Gier, denn Gier ist Unzu-frieden-heit
• und Verblendung, denn solange wir noch verblendet sind, neigen wir weiter zum Entstehen von Unzufriedenheit und Aversion.

Soweit mein Input für heute. Auf Hören folgt Reflektieren, wir tun das jetzt gemeinsam, und dann Meditieren.

(Die zugehörige Meditation ist die Meditation Erd-Puja)
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